Ausstellungen - Die Kunst der nicht-normativen-Biografien
Eine Recherche des Lift-Kollektivs
Residenz am PATHOS theater vom 03. – 10.11.2025
Während der Netzwerk Freier Theater/FREIRAUM-Residenz wollen wir, das LIFT-Kollektiv - Liv Schellander, Irene Giró, Fia/Sophia Neises und Tanja Erhart - Wege recherchieren, einen kollektiven, barrierefreien, installativen und interaktiven Bewegungs- und Begegnungsraum zu schaffen.
Das langfristige Ziel der Recherche ist unsere nächste Produktion „BIOFUCK“ (AT). Hier beschäftigen wir uns mit Biografien aus einer queer*crip*migrantischen Perspektive. Normative Biografien zielen darauf ab, die Lebensgeschichte einer Person in ansprechender Weise darzustellen und ihre Leistungen und ihr Vermächtnis hervorzuheben. Die Recherche zu „BIOFUCK“ (AT) fokussiert sich jedoch darauf, diese Vorstellung in Frage zu stellen und das Publikum durch ein immersives Performance-Format dazu einzuladen, die Erwartungen an Linearität, Logik, Erfolg und Konformität hinter sich zu lassen. Um diesem Ziel näherzukommen, werden wir das Konzept von Norm-Biografie „queeren“ und „crippen“, in dem wir ableistische und queerfeindliche Weltbilder in deren Darstellung gänzlich dezentralisieren.
Für diese Residenz wollen wir speziell das Thema der crip*queer*migrantischen Biografien und ihre Beziehung zu Praktiken der kollektiven Fürsorge, un/freiwilliges ausgestellt sein sowie Storytelling erforschen. Wir wollen verkörperte künstlerische Strategien finden, die es uns erlauben, uns bewusst und radikal mit Lebensgeschichten auseinanderzusetzen, in denen wir unser tanzenden, bewegenden, sinnenden und sensorischen Körper in den Mittelpunkt stellen. Bei der Darstellung auf der Bühne wird im performativen Raum das eigene oft mit Fremdzuschreibungen verhandelt, sowohl bei den Performer*innen als auch beim Publikum. Der Blick einer nicht-behinderten, nicht-queeren und nicht-migrantischen Mehrheit ist immer präsent, besonders wenn wir unsere nicht-normativen Erfahrungen, Verhaltensweisen, Rhythmen, Kommunikations-, Orientierungs- und Bewegungsweisen auf der Bühne teilen. Wie begegnen wir einander in diesen Räumen? Welche Teile unserer Lebensgeschichten und unseres Selbst wollen wir vorbringen und damit spielen? Welche wollen wir lieber nicht berühren?
Unsere Recherchefragen werden wir mit fiktionalen sowie Bedeutung stiftenden Praktiken angehen, mit dem Ziel, nicht-lineare Biografien zu schaffen und normative Lebensvorstellungen auseinanderzunehmen und zu verbiegen, bis die Lücken, das fast Geschehene und das für immer Unmögliche herausgespült wird. Dazu dienen uns „Macho Dance“, fantastische Dragperformances und „Choreo-Constellating“. Letzteres ist die künstlerische Adaption des systemischen Set-ups, auch bekannt als transferbale Sprache, basiert auf Liv Schellanders Recherche und künstlerischer Praxis.
„Choreo-Constellations“ sind lebendige Karten, Sinnesskulpturen und zeitgenössische Rituale, in denen sich ein verkörpertes kollektives Geschichtenerzählen im Moment entfaltet. Im Mittelpunkt steht dabei, dass die Verkörperung ein grundlegendes Merkmal des Denkens und der Beziehung zu unserer Welt ist. Diese performative Aufstellung ähnelt eine Live-Inszenierung eines persönlichen oder kollektiven Systems. Die Darsteller*innen werden zu Repräsentant*innen, die Themen verkörpern – wie zum Beispiel eine Fantasie, eine Frage oder eine Ressource. Für „Biofuck“ soll durch „Choreo-Constellations“ die Biografie eines Menschen, die bei A beginnt und bei Z endet, hinterfragt werden. Besondere „queer-crip*-Held*innen, politische Bewegungen, politische Revolutionen oder ein kollektiver Traum lassen sich somit organisch in die Choreografie einweben. Das Publikum wird in seiner eigenen Vorstellungskraft und Bedeutungsschöpfung aktiviert, da es nun das, was es kognitiv über ein Thema wie zum Beispiel „Genderfuck“ (Rekonstruktion von biologischem und sozialen Geschlecht) weiß, mit dem verknüpft, was es live wahrnimmt. Es sollen zudem Wege recherchiert werden, die Praxis für das Publikum zu öffnen.
Da wir uns noch in der Anfangsphase des Projekts befinden, ist die Möglichkeit ergebnisoffen zu forschen und experimentieren zu können wesentlich. Zudem möchten wir vorrangig mit Theaterinstitutionen arbeiten, die offen für Produktionsprozesse sind, die sich auf die ästhetische Barrierefreiheit spezialisieren. So ein Haus ist das PATHOS theater in München. Daher möchten wir gerne die Chance ergreifen, die Verbindung zu dem Haus im Rahmen der Residenz zu vertiefen.
Weitere Informationen zu den Künstlerinnen:
Gefördert von Fonds Darstellende Künste im Rahmen der Netzwerkförderung.

